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Sprache schafft Realität: Warum sind negative Begriffe meist weiblich besetzt?

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Sprache schafft Realität

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Der Duden machte kürzlich mit dem generischen Maskulinum Schluss – und erntete dafür Kritik. Wie Sprache Machtverhältnisse verändert und welche Worte ersetzt werden müssen ...

Gleichberechtigung im Job, in der Politik, in der ganzen Gesellschaft? Ja, bitte. Dabei spielen wir alle eine Rolle. Unser Verhalten kann jederzeit und überall Großes bewirken, so pathetisch das klingen mag. Besonders mit Worten und unserem täglichen Sprachgebrauch lässt sich einiges verändern.

Geht es um Sprache, kommt allerdings von vielen Seiten schnell der Vorwurf der Kleinlichkeit. Den muss sich jetzt auch das Onlinewörterbuch des Dudens gefallen lassen. Das hat sich nämlich kürzlich an die Spitze der Bewegung für mehr Gendersprache gestellt. So bezeichnet "der Mieter" auf duden.de neuerdings nur mehr eine "männliche Person, die etwas gemietet hat". Gleichzeitig findet sich im Wörterbuch jetzt auch die "Mieterin", also eine "weibliche Person, die etwas gemietet hat". GegnerInnen warnen vor solch einem "abenteuerlichen, sprachpolitischen Umsturz".

Zu unwichtig oder gar umständlich erscheint ein fraueneinbindender, positiver Sprachgebrauch. Dabei gilt die Sprache als Schlüsselwerkzeug für gesellschaftliche Veränderung, mit dem bestehende Normen und Machtverhältnisse beeinflusst werden können.

Positiver Sprachgebrauch: Frauen sichtbar machen

Plakativ gesagt: Sprache reflektiert, wer gesellschaftlich anerkannt ist und wer nicht. Wer immer nur von Ärzten, Bauarbeitern und Anwälten spricht, der lässt unweigerlich die Ärztin, die Bauarbeiterin und die Anwältin unerwähnt. Aber gilt der Einwand, dass Frauen "eh automatisch“ mitgemeint sind und das generische Maskulinum ausreiche?

Tatsächlich zeigt eine in Deutschland durchgeführte Studie, wie wichtig die Erwähnung der weiblichen Personengruppe ist. Bei der wurde nämlich gefragt, wer für das Amt des Bundeskanzlers infrage käme. Die Gruppe, die nur nach einem potentiellen Bundeskanzler befragt wurde, nannte demnach auch nur Männer. Jene VersuchsteilnehmerInnen, die sowohl nach einem Kanzler oder einer Kanzlerin befragt wurde, nannte Männer und Frauen.

Von Studien belegt, von der Gesellschaft ignoriert

Sprache macht Bilder. Und eine begriffliche Unterscheidung hat emanzipatorischen Charakter. Das ist Fakt. Dass das generische Maskulinum dabei nicht "ausreicht", beweist eine weitere Studie aus dem Jahr 2008. Die ProbandInnen sollten von einem Satz einen Folgesatz ableiten. Das Ergebnis? Eindeutig. Sätze, in denen nur die männliche Form verwendet wurde, wurden weniger häufig Folgesätzen zugeordnet, in denen auch Frauen vorkamen.

Die Hauptargumente von GegnerInnen geschlechtergerechter Sprache wären somit eigentlich widerlegt. Dem diskriminierenden Sprachgebrauch tut dies aber weiterhin keinen Abbruch. Vermeintliche Kleinigkeiten wie die "Gästin" oder "Bäckerin" im Duden, halten dagegen. Ja, vielleicht ist die Anpassung der Sprache als Bestandteil einer langfristig angelegten Geschlechtergleichheits-Strategie gerade noch ein bisserl umständlich, das Gendern manchmal nervig. Aber: Sprache ist kein statisches Konstrukt. Sie verändert sich laufend. Diesmal im Interesse der Frauen.

Frauen werden oft mit negativen Begriffen beschrieben

Der sexistische Sprachgebrauch ist mittlerweile aber derart allgegenwärtig, dass sich nur wenige überhaupt von seiner Existenz überzeugen lassen. Bedenkt man die nicht enden wollende Auswahl an Schimpfwörtern, die allein aufs weibliche Geschlecht abzielen – Tussi, Trutschn, Funzn, ... –, oder die gleichzeitige Möglichkeit, Männer zu diskreditieren, indem sie als "Mädchen" bezeichnet werden, ist das allerdings doch erstaunlich.

Und was passiert, wenn negative oder abfällige Wörter für und über Frauen in ihre männlichen Äquivalente übersetzt werden? Die alte Jungfer wird zum flotten Junggesellen, die blöde Schlampe zum charmanten Strizzi. Bei einer Sekretärin wird sofort an den dazugehörigen Chef gedacht, beim Sekretär eher an den Staatssekretär.

Sehr viele, zumeist abfällig oder sexistische Bezeichnungen haben zudem erst gar keine männliche Form, etwa Fräuleinwunder, Tratschweib, Sexbombe, Hausmütterchen, Flittchen, Heulsuse, Blondchen oder Schwiegerdrachen. Außerdem gibt es unzählige negativ besetzte Wörter, die fast ausschließlich im Kontext mit Frauen (oder "verweiblichten" Männern) verwendet werden. Hysterisch, naiv, zickig oder frigide sind nur einige davon ...

Negative Sprache gegenüber Frauen ersetzen

Wir haben deswegen die SprachexpertInnen von Babbel gefragt, welche Alternativen es für so einige dieser so sexistischen wie alltäglichen Wörter und Begriffe gibt. Und eine Liste erarbeitet.

Flittchen

Eine Bezeichnung (mit erstaunlich vielen Synonymen) für eine Frau, die schnell (sexuelle) Beziehungen zu Männern eingeht, was als anstößig und verwerflich angesehen wird.

Eine selbstbestimmte Frau

Das ist eine Person, die ihr Leben eigenständig, eigenverantwortlich und nach eigenem Willen führt. Dazu gehört natürlich auch die sexuelle Selbstbestimmung der Frau, genauso wie die des Mannes.

Kratzbürste

Das ist die Bezeichnung für eine meist weibliche Person, deren Verhalten als widerborstig empfunden wird.

Kämpfernatur

Also die Definition für eine Person, die sich, ohne zu zögern und auf Gefahren zu achten, mit Elan für etwas einsetzt. Und die mit allen Mitteln versucht, ihr Ziel zu erreichen und dafür zu kämpfen.

Sei kein Mädchen!

Dieser Ausspruch wird verwendet, um eine Person als "weibisch" oder feige zu bezeichnen und ist als Beleidigung gedacht. Im Sinne von "Stell dich nicht so blöd an und heul da jetzt nicht rum".

Sei kein Feigling!

Es gibt mit dem Feigling extra ein Wort für eine furchtsame, ängstliche, risikoscheue Person. Kein Grund also, den Begriff "Mädchen" zu verwenden.

Frigide

Dieser abfällige Ausdruck wird meist dazu verwendet, eine Frau zu beschreiben, die sich beim Sex zurückhält, keine Lust zeigt oder empfindet. Männer scheinen interessanterweise vor diesem Gefühl gefeit zu sein ...

Zurückhaltend oder Distanziert

Diese Wörter können genauso gut einen Mann wie eine Frau beschreiben und implizieren, dass zwischen den (Sexual-)PartnerInnen etwas nicht stimmt und geklärt werden sollte – anstelle die "Schuld" an der Sexflaute allein der Frau zuzuschieben.

Zickig

Ein Begriff, der besonders in Bezug auf Frauen genutzt wird um diese als überspannt, launisch und eigensinnig zu beschreiben.

Willensstark

Ein Begriff, der besonders in Bezug auf Männer genutzt wird, während eine Frauen eben als überspannt, launisch oder eigensinnig beschrieben werden würden.

Hysterisch

Beschreibung einer übertrieben aufgeregten, nervösen Frau. Früher auch die Bezeichnung für eine (angebliche) neurotische Störung bei Frauen.

Aufgeregt

Eine Person kann sowohl im positiven als auch im negativen Sinne aufgeregt oder angespannt sein und zeigt damit Leidenschaft für eine Sache. Anstelle von "Sei nicht so hysterisch" kann auch gerne ein "Chill mal" verwendet werden.

Lass dir Eier wachsen!

Eine Phrase, die impliziert, dass jemand männliche Genitalien sein Eigen nennen muss, um als stark wahrgenommen zu werden. Aber eine Person kann stark sein, unabhängig von ihrem Geschlecht. Mal ganz davon abgesehen, dass die Geschlechtsteile zu den empfindlichsten Körperteilen überhaupt gehören.

Lass dir ein Gehirn wachsen!

Lass dir ein Gehirn wachsen – weil man am Ende mit intelligenten Mitteln am weitesten kommt ...

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